Dienstag, 21. August 2012

Das Konzert "Der andere 11. September" mit MUSIKANDES, in Fulda!

MUSIKANDES führt wieder sein Homagge an Salvador Allende, "Der andere 11. September", in RED CORRIDOR Gallery (Fulda) ein. 
Das ist ein Konzert  über den "anderen 11. September", den Militärputsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende am 11.9.1973 in Chile. Das Konzert wird visuell untermalt durch Video-Projektionen, außerdem werden Textpassagen aus Tagebuchaufzeichnungen vorgelesen, um den historischen Zusammenhang besser verstehen zu können. 
Samstag 01.09.2012
20.00 Uhr
RED CORRIDOR Gallery
Löherstr. 19, Fulda    
Eintritt frei
Eine Veranstaltung con "Arbeit und Leben Hessen" in Kooperation mit DGB Kreisverband Fulda undATTAC Fulda

Sonntag, 19. August 2012

Rede von Romina Tobar Leyton anlässlich der Eröffnung der Einbürgerungskampagne für Saarbrücken am 31. Mai 2012, Rathausfestsaal, Saarbrücken




Rede von Romina Tobar Leyton anlässlich der Eröffnung der
Einbürgerungskampagne für Saarbrücken am 31. Mai 2012,
Rathausfestsaal, Saarbrücken

Wo bin ich zu Hause?

Das war eine wichtige Frage für mich. Sie stellte sich, als ich eine wichtige
Entscheidung treffen musste.

Mein Name ist Romina Tobar Leyton, und seit fast 3 Jahren besitze ich die
deutsche Staatsbürgerschaft. Keine einfache Entscheidung. Aber 
nachdem ich mich gefragt habe, wo ich zu Hause bin, war richtig klar, was zu tun
ist.

Als Tochter von zwei Bauern in einem kleinen Dorf und mitten in einer
militärischen Diktatur fing mein Leben an. In einem Land, das mehr als 12.000
km von hier entfernt ist. Chile heißt es. Meine Kindheit ließ viel zu wünschen
übrig, meine Jugend fing genauso an. Aber als ich 18 Jahre alt war, fing die Reise
in das neue Land an - das Land, das mich so herzlich und ohne Wenn und Aber
aufgenommen hat, nämlich: das Saarland.

St. Ingbert heißt die Stadt, in der ich meine ersten fünf Jahre verbracht habe.
Danach ging es nach Rohrbach und von dort aus nach Saarbrücken. Jetzt ist es
schon mehr als 14 Jahre her - genug Zeit, um das Wort wieder aus der Kiste zu
nehmen: Sehnsucht, Nostalgie, Heimweh…  Aber wonach?

Wegen meiner Ausbildung musste ich mehrmals im Jahr nach Ludwigsburg
fahren. Ich war die Einzige aus dem Saarland in meinem Lehrjahr, und als ich
dort war, merkte ich, wie dieses Gefühl von Heimweh bei mir wieder anwesend
war. Ich musste jedes Wochenende nach Hause fahren, ich hatte die Fahrt nach
Bliesmengen-Bolchen zum Fußballverein oder die Mainzer, den Staden, das
Nauwieserviertel, die Stadt und ihre Leute so vermisst, dass mir nichts anders
übrig blieb. Ich brauche Ihnen gar nicht zu erzählen, wie groß die Sehnsucht
nach Saarbrücken nach drei oder vier Wochen Urlaub war!

Aber... Was ist anders in diesem neuen Land? Warum bin ich noch hier?  
Alles, was ich im Leben erreicht habe, verdanke ich diesem neuen Zuhause. 
Als Mensch bin ich hier gewachsen und gereift, hier habe ich auch einen der
bisherigen Höhepunkte meines Lebens erreicht: die Ausbildung.

Als erwachsener Mensch habe ich mich getraut, meine kleine Leidenschaften für
das Handwerk und die Musik zu verbinden, und hier in Deutschland (als hätte ich
das damals in Chile gewusst) ist es möglich, als einzigem Land auf dieser Welt,
den Beruf des Klavierbauers in der Form des dualen Systems zu erlernen.
Als einzige Saarländerin in meiner Klasse unter den 30 Schülern aus ganz
Deutschland besuchte ich erfolgreich die Berufsschule. Mein Horizont hatte sich
mit Riesenschritten erweitert, in jeder Hinsicht. Hier waren viele Sachen, die in
meinem Geburtsland unerreichbar waren, plötzlich so selbstverständlich.


Wo bin ich eigentlich zuhause?

Ich glaube dort, wo ich mich am wohlsten fühle, wo meine alltäglichen Abenteuer
geschehen, wo meine Liebsten leben.

Von Anfang an war mir klar, dass alle Hindernisse, die mir im Wege stehen, auch
zu überwinden sind. Eines davon war die Sprache, die mir bis heute noch zu
schaffen macht. Schnell konnte ich feststellen, wie ich ein Teil dieser Gesellschaft
wurde: Das Essen, das Einkaufen, als Fußballfan die Nationalmannschaft,
Fernsehen schauen, Tatort, deutsche Lieder singen und viele anderen Sachen
waren zu meinem Alltag geworden.... 

Trotz alledem fehlte mir etwas. Für mich es einer der wichtigsten Punkte bei der
Entscheidung für die Einbürgerung. Da ich mich sehr für die lokale und die
bundesweite Politik interessiere, wollte ich aktiv sein, auch mitwirken oder
mitbestimmen dürfen. Aber ich war nur eine „Mitbürgerin“ und keine
Staatsbürgerin und durfte es nicht. Das machte mich ein wenig traurig, ich wollte
unbedingt meine Pflichten, aber auch meine Rechte erfüllen. Mit meinem
chilenischen Pass war es aber nicht möglich. Aber letztlich lag das nur an mir.
Warum beantrage ich nicht die deutsche Staatsbürgerschaft?, fragte ich mich
also.

Das Wahlrecht war für mich das „A“ und „O“, und dazu kam in der gleichen Zeit,
dass ich während der Lehre den Ausbildungsbetrieb hätte wechseln können. In
Luxemburg war der nächste, der mich weiter ausbilden konnte. Aber zu meinem
großen Bedauern durfte ich als Chilenin nicht außerhalb der Grenze arbeiten...

Mit der Einbürgerung musste ich die chilenische Staatsangehörigkeit aufgeben.
Oft wird mir die Frage gestellt, ob es mir schwer fiel: „Konnten Sie einfach so
den chilenischen Pass abgeben?“ Ein paar Mal wurde ich sogar gefragt, ob ich
nicht das Gefühl hätte, mein Land verraten zu haben. „Nein, habe ich nicht“, war
immer meine sehr schnelle Antwort.
Ich weiß ganz genau, wo ich geboren bin, wo ich meine Kindheit und halbe
Jugend verbracht habe. Und ich weiß auch, wo mich meine Eltern im Elend
erzogen haben, wo sich meine Wurzeln und Vorfahren befinden. Aber ich weiß
auch, dass ich hier in Deutschland wie neu geboren wurde, dass hier unzählige
Möglichkeiten für mich wie auch für jeden offen standen und immer noch offen
stehen, ich musste nur zugreifen. Hier kann ich alles machen, was ich will, hier
bin ich ICH und frei ohne Barrieren. Man muss es nur wollen. 

Als Dankeschön dafür und für viele andere Dinge habe ich auf die Frage, ob ich
bei der Einbürgerungskampagne mitmachen würde, geantwortet: „Ja, gerne!“
Genau deswegen stehe ich heute hier vor Ihnen und bringe eins der Porträts zum
Reden. Ich hoffe, auf diese Weise einen Teil (und sei er noch so winzig) von all
dem, was ich in diesem neuen Zuhause bekommen habe, zurückerstatten zu
können. Auch hoffe ich heute und hier, anderen Menschen Mut machen zu
können. Trauen Sie sich! Seien Sie ein echter „Mitbürger“, ein Teil dieser
Gesellschaft! 
Mir ist vollkommen bewusst und klar, dass ich in Chile geboren bin, und somit
werde ich weiterhin eine gebürtige Chilenin bleiben. Aber wo bin ich zu Hause?... 
Heute, nach 14 Jahren, kenne ich die Antwort ganz genau: Die do Fraa is in
Saarbrigge dehemm! 



Quelle: www.saarbrücken.de